Prof. Dr. Thomas Häcker eröffnete 2009 einen Vortrag in Hamburg (ePush E-Portfolio) mit der Aussage: „Lösung sucht Problem“. Ahnt er, dass der Portfolioansatz noch nicht in den deutschen (Hoch)Schulen angekommen ist? In der Aufzeichnung des Vortags auf der Campus Innovation 2009 setzt er sich erneut mit den Möglichkeiten und Grenzen dieses offenen Lern-Lehr-Konzeptes auseinander.
F. Leon Paulson, Pearl R. Paulson und Carol A. Meyer geben 1991 in ihrer legendären Schrift „What Makes a Portfolio a Portfolio?“ 8 Tipps, damit Pädagogen selbstgesteuertes („self-directed“) Lernen fördern können. Häcker (2007) verwendet diese Paulson et al. Defintion:
Ein Portfolio ist eine zielgerichtete und systematische Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen der / des Lernenden in einem oder mehreren Lernbereichen darstellt und reflektiert. Im Portfolioprozess wird die / der Lernende an der Auswahl der Inhalte, der Festlegung der Beurteilungskriterien sowie an der Beurteilung der Qualität der eigenen Arbeit beteiligt (Paulson et al., 1991, 60; Übers. T.H.).
Er beschreibt für den „typischen“ Ablauf der Portfoliomethode folgende Komponenten:
Context definition: Zu Beginn der Portfolioarbeit muss eine Klärung der Rahmenbedingungen erfolgen. Vereinbarungen über den Zweck des Portfolio, verfolgte Ziele, Anforderungen und Bewertungskriterien sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen sorgen für eine maximale Transparenz. In dieser Phase sollte auch die möglichen Betrachter/innen des Portfolio besprochen werden.
Collection: Das eigene Lernvorhaben wird mit Verlauf und Ergebnissen im Portfolio dokumentiert und reflektiert. Parrallel dazu werden Artefakte („Lerndokmente“) gesammelt. In einem Inhaltsverzeichnis wird vermerkt, warum das Artefakt in das Portfolio aufgenommen wurde, welchen Zweck und Zeil es erfüllen konnte. Diese Sammlungen sind anfangs durchaus unstrukturiert, erfahren aber durch den nächsten Schritt eine Ordnung.
Selection: Mit der Auswahl der Dokumente beginnt der didaktisch wichtigste Teil der Portfolioarbeit. Die Portfolionutzer/innen begründen ihre Entscheidung, vesehen das Artefakt mit einer kurzen Begründung und stellen die Artefakte zusammen, die schließlich prässntiert werden sollen. Die Kernfrage dieser Phase könnte lauten: „Was fehlt meinenm Portfolio, wenn ich dieses Artefakt nicht einbauen würde?“ Lehrer/innen, Lerncoaches, Eltern und Peers können die Auswahl begleiten.
Reflection: In diesem Abschnitt lauten die zielführenden Leitfragen: „Welche Ziele habe ich mir gesteckt? Wie konnte ich diese Ziele erreichen? Was lief dabei gut/wo gabe es aus welchem Grund Schwierigkeiten? Wie sehen die nächsten Schritte aus? Es geht also um die Reflexion und die Lenkung des Lernprozesses.
Die Phasen des Sammelns, der Auswahl und der Reflexion laufen nicht hintereinander ab, sondern überlappen sich und können sich wiederholen. Die wachsende „Sammelmappe“ bietet Anlass für Zwischenreflexionen, den Austausch, Überlegungen wo man im eigenen Lern- und Erkenntnisprozess steht und mögliche Richtungsänderungen. Eine erste Selbstbeurteilung wird durch die gemeinsam abgesprochenen Bewertungsraster eröffnet.
Projection: Abschließend wird ein Ausblick gegeben. Hier können die Porfolionutzer/innen in der Form ein Nachwortes Schlüsse aus den gewonnenen Einsichten über ihre Themengebiete, das Lernen und die Lernbedingngen ziehen und Überlegungen anstellen, wie zukünftige Aufgaben geplant und angegangene werden sollen.
Presentation: Das Portfolio wird zum Abschluss zum Medium gemeinsamer Betrachtungen. Alle am Portfolioprozess Beteiligten haben mit der Veröffentlichung die Grundlage für Kommunikation und Bewertung. Entsprechend der eingangs getroffenen Vereinbarungen wird die Arbeit durch das Einreichen oder eine Präsentation abgeschlossen. Die Präsentation kann auch Grundlage für Portfoliogespräche sein. Die Gesprächspartner werden sich dabei auch über das Lern-Lehr-Setting unterhalten und so nächste Projekte vorbereiten.
Kern der Portfoliomethode ist der fließende Prozess in den Phasen Collection, Selection und Reflection. Die Selbstbewertung und die wohlwollend kritischen Rückmeldungen der anderen Lernenden sind wesentliche Eigenschaften (Stratmann, 2009).
Das von Häcker beschriebene Portfoliokonzept kann mit E-Portfolio Systemen (Mahara) genutzt werden und bietet hier zahlreiche Mehrwerte.
„Der Portfolioansatz stellt ein offenes Konzept dar, das sehr verschieden ausgestaltet, in unterschiedliche Kontexte eingebettet, zu verschiedenen Zwecken genutzt und unter Nutzung sehr unterschiedlicher Medien praktiziert werden kann. In dieser Offenheit liegen sowohl die Chancen als auch die Risiken der Portfolioarbeit, denn ihre Techniken und Prinzipien sind – wie die manch anderer Lehr-Lern-Konzepte auch – an ganz unterschiedliche pädagogische Praxen anschlussfähig.“
via podcampus.de
Literatur:
Häcker, T. (2007). Portfolio: ein Entwicklungsinstrument für selbstbestimmtes Lernen. Eine explorative Studie zur Arbeit mit Portfolios in der Sekundarstufe 1. (2., überarb. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Stratmann, J. (2009). E-Portfolio als Teil einer individualisierten Lehr-/Lernstrategie. In R. Peek, W. Plöger, B. Peperhove & J. Stratmann (Hrsg.). Tagungsband des Symposiums 2008 – Heterogenität von Lerngruppen – Eine Herausforderung an die Schulpädagogik. Köln.
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